Die Nutzungsszenarien zeigen, welche Bedeutung die Lizenzierung bei Buchpublikationen in der Wissenschaft bekommt. Zwar zeigt sich in Beratungen häufig, dass Forschende großes Interesse daran haben, ihre Arbeit im Open Access zu veröffentlichen, aber gleichzeitig Bedenken haben, wie ihre Werke durch eine CC-Lizenz nachgenutzt werden könnte. Forschende, die Bücher veröffentlichen, haben mitunter eine andere Perspektive auf die kommerzielle Nachnutzung ihrer Werke, was mitunter zu einer anderen Perspektive auf die Open-Access-Veröffentlichung führt. Dass die Sorge vor einer ungewünschten Nachnutzung bei der Veröffentlichung von Büchern deutlich häufiger genannt wird als bei einzelnen Zeitschriftenartikeln liegt u. a. daran, dass die Verwertungsmöglichkeiten hier ungleich größer sind (oder scheinen). Da ein vergleichbarer Konflikt zwischen Open Access und Verwertung bei Journals eher in Bezug auf die gesamte Zeitschrift als auf den einzelnen Artikel entsteht, wird die kommerzielle Nachnutzung von einzelnen Forschenden in diesem Kontext weniger bedacht. Sie werden bei der geplanten Veröffentlichung eines Open-Access-Buches hiermit direkter konfrontiert.
Hinzu kommt, dass vor allem die Diskussion um das NC-Modul für Bücher stark aus der Makroperspektive und der Verlagswelt geprägt wird. Die Frage, die für Verlage also häufig im Raum steht ist: Wie können Buchpublikationen gleichzeitig Open Access publiziert und dennoch kommerziell verwertet werden? Entwicklungen wie die von Martin Paul Eve beschriebene Praxis, dass OA-Bücher von anderen Verlagen gedruckt und verkauft werden, und seine Kritik daran, sowie auch die Stellungnahme von Punctum Books zu deren Wahl der Lizenz CC BY-NC zeigen, dass sich bei der Veröffentlichung von OA-Büchern Konflikte ergeben, die für die Autor:innen bei der Veröffentlichung von Zeitschriftenartikeln wenig oder gar keine Bedeutung haben.
Auch in Bezug auf die Bearbeitung von Werken entstehen bei Buchpublikationen neue Fragestellungen, die in Beratungen thematisiert werden. Durch die als intensiver wahrgenommene Beziehung zwischen Autor:in und Werk wird bei Buchpublikationen die Möglichkeit der Bearbeitung als Bedrohung für Konsistenz und Vollständigkeit eines Werkes angesehen. Der Aspekt der Bereicherung durch mögliche Anpassungen und Ergänzungen einer weltweiten Wissenschaftscommunity ist aus der Perspektive einzelner Autor:innen nicht immer sichtbar. Somit besteht auch hier ein großer Unterschied in der Wahrnehmung und Bewertung von Open Access bei Büchern und Zeitschriftenartikeln. In der Beratung wird häufig versucht, auf diese veränderte Logik zu verweisen.
Insgesamt verdeutlichen die in der vorliegenden Publikation aufgezeigten Beratungsszenarien und die gesammelten Interviews, dass Open Access bei Buchpublikationen mit sehr individuellen Problemen und Fragestellungen verbunden ist. Dadurch, dass die öffentliche, stark auf Zeitschriften fokussierte Diskussion um Open Access weniger um die einzelnen Artikel geführt wird, sondern vielmehr um die kommerziellen Auswirkungen einer neuen Publikationskultur werden diese Denkmuster auch auf Bücher übertragen. Im Kern steht die Frage, wie Open Access in einem kommerziellen Kontext umgesetzt werden kann. In Beratungen zu dem Thema müssen den Forschenden somit nicht nur die Vorteile einer freien Verfügbarkeit von Inhalten vermittelt werden, sondern auch die der freien Nachnutzbarkeit. Denn dadurch, dass vor allem die offenen CC-Lizenzen (CC BY und CC BY-SA) in einem gewissen Umfang die Verwertungs- und Kommodifizierungslogik urheberrechtlicher Regelungen unterlaufen, korrespondieren sie besser mit dem kommunikativen und teilhabe-orientierten Anspruch an eine freie Wissenschaft.
Werden NC- und ND-Lizenzvarianten dennoch bei der Lizenzierung von OA-Bücher bevorzugt, entwickelt sich die Definition von Open Access weg von „free to use“, hin zu „free to read“. Werden die Vorteile der CC-BY- und CC-BY-SA-Lizenz für OA-Inhalte an sich in Frage gestellt, muss die bisherige Definition von Open Access in der Community neu diskutiert werden.